COME TOGETHER
Mein Schulhof – Dein Schulhof – Unser Schulhof – Zwei Welten – Zwei Schulen – Ein Schulhof – Ein Theaterstück
Ein schulübergreifendes Theaterprojekt zwischen einem Gymnasium und einer Integrierten Sekundarschule in Berlin Neukölln. Zwei Schulen teilen sich einen Schulhof. Das fühlt sich manchmal an wie ein Kontinent, den zwei Nationen beanspruchen. Oder wie eine Wasserstelle, die von zwei Stämmen belagert wird. Im 45-Minutentakt begegnen sich auf diesem Schulhof in Neukölln die Schüler*innen. Da bricht auch schon mal Unfrieden aus. „Uns gehört die Welt“ sagen beide Seiten, und „Wir sind besser als die“. Im Moment, da ein „Wir“ und ein „Die“ in den Köpfen herumfährt, bleibt das Miteinander am Ort der alltäglichen Begegnung, dem gemeinsamen Schulhof, schon mal auf der Strecke. Da entsteht ein Stau in den Köpfen, den keine Fahrbahnmarkierung verhindern und schon gar nicht beheben kann. Gewaltvorfälle zwischen Schüler*innen demonstrierten bereits seit Jahren, dass die jungen Lernenden das Verständnis für den gemeinsamen Raum und wer einen Anspruch darauf hat, nicht immer aufbringen. Wie gehen wir miteinander um, wer hat das Sagen, wer hat die Macht des Wortes und des Handelns und welche Konsequenzen hat eine solche Machtausübung? Diese Orientierungslosigkeit führt zu Missverständnissen, Missverständnisse führen zu Befremdung, Befremdung führt zu Ablehnung, Ablehnung führt zu Abwertung und Abwertung erlaubt es schließlich, auch Gewalt als Abgrenzungsstrategie einzusetzen. Ein Kreislauf der Hilflosigkeit beginnt, der nicht so leicht zu unterbrechen ist.
Im Theaterprojekt „Come together“ ging es um Begegnen und Verstehen, zwischen den Schulen, zwischen zwei Klassen, zwischen Gewalt und Dialog. Am Beispiel und auf Grundlage des nobelpreisgekrönten Romans „Herr der Fliegen“ von William Golding sollte vermittelt werden, welche Formen Gewalt annehmen kann, mit welchen Begründungen sie angewendet wird und vor allem wer die Gewalttäter*innen sind und wie sie sich legitimieren.
Die Theaterarbeit zwischen den Schulen wurde mit Hilfe von Textausschnitten und dem verbalen und non-verbalen Charakter von Gewalt erforscht. In fünf Arbeitsphasen wurde im Laufe eines Schuljahres eine Inszenierung entwickelt. Es ging um Sehen, Verstehen und schließlich um Lösungen bzw. Antworten. Es ging um die eigenen Erfahrungen im Schulalltag, nicht nur auf dem Schulhof, um eigene Meinungen und Positionen sowie um Wege aus der Hilflosigkeit, wenn Gewalt droht oder angewendet wird. Und es ging um Theater als Ort des Erkundens, des Zeigens und um Performanz als Kunst des Anbietens und Ansprechens an das Publikum.
Zum Inhalt und warum dieser Roman:
Während eines – möglicherweise mit atomaren Waffen ausgetragenen – Krieges soll eine Gruppe sechs- bis zwölfjähriger Schuljungen in Sicherheit gebracht werden. Sie stranden jedoch nach einem Flugzeugabsturz auf einer Pazifikinsel. Keine der erwachsenen Begleitpersonen hat überlebt. Zunächst vertrauen die Kinder darauf, dass sie gerettet werden. Die paradiesische Insel ist zwar augenscheinlich unbewohnt, aber die Jungen finden Trinkwasser, essbare Früchte und Wildschweine auf der Insel und beginnen, ihr Zusammenleben und eine Arbeitsteilung zu organisieren. Auch wenn sie scheinbar die äußeren Umstände bewältigt, befindet sich die Gruppe in wachsender Gefahr. Dem besonnenen und umsichtigen Ralph der zum Anführer gewählt wurde, steht Jack gegenüber, ein rücksichtsloser Verfechter des Rechts des Stärkeren. Allmählich entwickeln sich Aggressionen unter den Jungen, und es bilden sich verschiedene Lager, die sich immer stärker voneinander abgrenzen. Dazu kommt „ das Ungeheuer“ auf der Insel, welches die Jungs vermeintlich entdeckt haben. Aus dem Spiel wird Ernst und es endet mit einem tragischen Tod.
„Herr der Fliegen“ gilt allgemein als Parabel, wirft also die Fragen über die Moral und ethische Grundsätze auf, signifikant der Gewaltbereitschaft des Menschen an sich. Weiterhin zeigt der Roman auf, wie die „Gerüchteküche“ Angst sät und schürt, Kommunikation verhindert und dass die Gefahr des Mitläufertums groß ist mit verheerenden Konsequenzen. So ist unter der Regie von Anja B. Kaul und Inga Dietrich eine Dramatisierung des Romans für 23 Schüler*innen, Doppelt- bzw. Dreifachbesetzung der Figuren/ Rollen entstanden.
Konzept: Anja B.Kaul und Thanassis Kalaitzis
Regie/Dramaturgie: Anja B. Kaul und Inga Dietrich
Choreographie: Linda Weissig
Sounddesign: Robbert Arndt
Begleitende Lehrer: Dietmar Knaack und Mathias Anding
Performance Künstlerin: Chryssa Tsampazi
Technische Leitung: Helmut Burgdorf
Ton/Licht/Bühne: Veranstaltungstechnik AG – Leitung Jörg Diekmann